Denken wie Einstein. Was wir von den klügsten Köpfen der Geschichte lernen können by Theresa Bäuerlein & Shai Tubali
Autor:Theresa Bäuerlein & Shai Tubali [Bäuerlein, Theresa]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783455851540
Herausgeber: Hoffmann und Campe
veröffentlicht: 2015-09-13T16:00:00+00:00
In Platons Dialog Alkibiades I versucht Sokrates, diese Denkart seinem Lieblingsschüler beizubringen. Alkibiades ist ein reicher, vornehmer Athener, zu diesem Zeitpunkt kaum zwanzig Jahre alt und ebenso schön wie arrogant und eingebildet. Er ist der Meinung, dass er ein politisches Naturtalent sei und daher an Entscheidungen über Krieg und Frieden beteiligt werden sollte. Um seine politische Karriere in Gang zu bringen, will er als Redner vor die Volksversammlung treten. Sokrates nimmt sich den jungen Mann vor und zerlegt ihn nach Strich und Faden. Dabei bedient er sich dreier typischer sokratischer Mittel: Ironie, Logik und naive Fragen. Mit Ironie zeigt Sokrates die Arroganz und Oberflächlichkeit auf, die in Alkibiades’ Aussagen steckt. Durch Logik bringt er die Widersprüche in Alkibiades’ Antworten ans Licht. Er stellt absichtlich naive Fragen, um die offensichtlichen Schwachstellen in Alkibiades’ Selbsteinschätzung zu zeigen. So fragt er etwa, wie Alkibiades die Versammlung in Athen denn beraten wolle. In medizinischen Fragen? Oder bei der Kunst des Schiffbaus vielleicht? Aber dafür würde sich wohl eher ein Arzt oder ein Schiffbauer eignen, da diese ja Experten in diesen Dingen seien. Wofür also sei Alkibiades der Experte? Alkibiades muss zugeben, dass er eigentlich nichts gelernt habe, was ihn für Staatsgeschäfte qualifiziere. Als Nächstes bittet Sokrates, dass Alkibiades für ihn definieren möge, was Recht und Unrecht seien – da dies zweifellos fundamentale Kenntnisse für einen zukünftigen Politiker seien. Der junge Mann räumt ein, dass er nie wirklich darüber nachgedacht hat. Er benutzt diese Begriffe einfach, ohne sich je wirklich Gedanken darüber gemacht zu haben. Mehr noch: Er kann sie von niemandem gelernt haben, da sich niemand genau im Klaren darüber ist, was diese Dinge bedeuten. Die Athener konnten einen Krieg für gerecht halten, denen ihre Feinde empörend unfair fanden. Durch Sokrates eindringliches Nachfragen verheddert Alkibiades sich in widersprüchlichen Definitionen, bis der zu Beginn des Dialogs noch so selbstsichere junge Mann schließlich vollkommen verwirrt ist: »Aber bei den Göttern, o Sokrates, ich weiß nicht, was ich behaupte, sondern ordentlich ganz verdreht komme ich mir vor. Denn bald dünkt es mich so, wenn du mich fragst, bald wieder anders«, klagt er.[97]
Was Alkibiades in diesem Moment erlebt, wird Aporie (griechisch: Ratlosigkeit, Ausweglosigkeit) genannt. Aporie ist ein wichtiger Bestandteil direkten Denkens. Es ist der Augenblick, in dem die eigenen Überzeugungen in sich zusammenfallen. Kein Stein bleibt mehr auf dem anderen, der Mensch steht in den Trümmern und im aufgewirbelten Staub seiner Gedankengebäude und sieht erst einmal gar nichts mehr. Es ist ein sehr wichtiger Moment, denn erst hier, meinte Sokrates, fing man mit dem Denken überhaupt erst an. Das selbstsichere Denken hat eine glänzende Fassade, die ein äußerst wackliges Gebäude aus ungeprüften Vorstellungen und widersprüchlichen Informationen verdeckt. Erst, wenn es zusammenbricht, ist der Weg frei für unabhängiges, kreatives, forschendes Denken.
Von Alkibiades’ Selbstsicherheit ist am Ende des Dialogs nichts mehr übrig, er steht vor Sokrates wie ein Kind, das alles zum ersten Mal lernt. Genau das ist der Punkt, an den der Philosoph ihn bringen wollte. Er erklärt Alkibiades, dass, wer andere regieren will, sich erst selbst regieren können muss.
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